January 2, 2010

Der weiße Berg

Heimlich, still und leise hat es sich aufgebaut - ein gewaltiges Überangebot an Biobaumwolle. Das setzt die auf Bio umgestiegenen Kleinbauern in aller Welt unter Druck und bringt ganze Branchen in Erklärungsnot. Wie konnte das passieren?

Don Cameron war in den neunziger Jahren einer der Ersten und ist heute einer der Letzten, die in Kalifornien Biobaumwolle anbauen. Vor ein paar Wochen hat er seine Ernte eingefahren, weiße Fasern bester Qualität. Doch das gute Gefühl, das Bio bei manchen auslöst, spürt Cameron nicht mehr. Seine Lager sind voll, und der Farmer, der von sich selbst sagt, er sei ein Berufsoptimist, denkt darüber nach, mit dem Bioanbau aufzuhören.

In Indien kämpft Anand Mor mit der gleichen Situation. Er arbeitet für Ecofarms, eine Kooperative, die 1990 als Erste in Indien begann, die neue Bioanbautechnik umzusetzen. Ecofarms steht für die Idee, den Bauern auf diese Weise auch zu höheren Einnahmen zu verhelfen; heute produziert Indien mehr als die Hälfte der weltweit angebauten Biobaumwolle. Doch inzwischen weiß Anand Mor nicht mehr, wie seine Farmer zu einem fairen Lohn kommen sollen. "Ich bin demoralisiert", flüstert der Mann aus Mumbai ins Telefon, "ich kann den Bauern nur raten, umzusteigen und nicht mehr nur auf Baumwolle zu setzen."

Simon Ferrigno vom Biobaumwollverband Organic Exchange kennt das gesamte Ausmaß der Misere. Vor gut zehn Jahren hat er als Entwicklungshelfer begonnen, inzwischen schreibt er für die Non-Profit-Organisation Organic Exchange den einzigen Marktreport der Branche. Und auch wenn ihn betrübt, dass Farmer wie Mor oder Cameron über einen Ausstieg nachdenken - es wundert ihn nicht:

Der ganze Sektor mit seinen weltweit etwa 222000 Biofarmern hätte ein Problem, schreibt er in seiner Analyse. Und das werde nicht kleiner: Obwohl die Lager längst nicht geleert seien, erwarte er in dieser Saison eine Ernte von 175113 Tonnen Biofasern - rund 60000 Tonnen über dem Bedarf. Zusammen mit den Beständen könne sich das 2010 auf gut 90000 Tonnen Überkapazität addieren, also auf beinahe einen Jahresverbrauch.

Das große Missverständnis

Wie kann das sein? Ist Bio nicht in und trotz Wirtschaftskrise im Aufwind? Das stimmt - gilt allerdings vor allem für Lebensmittel. Biobaumwolle hat auch nach knapp zwanzig Jahren nur einen Anteil von etwas mehr als einem halben Prozent an der Baumwollweltproduktion, obwohl der Hype darum weit höhere Zahlen suggeriert. Dass aber selbst dieser winzige Anteil noch über der Nachfrage liegt und die Produzenten düsteren Zeiten entgegensehen, ist die Folge eines Systems, das die Biobaumwolle auf je der Etappe ihres Weges in den Laden verteuert -und immer neues Angebot gebiert, ohne gleichzeitig neue Absatzmärkte zu schaffen. Und es hat auch mit einem Missverständnis zu tun: dass Biobanane und Bio-T-Shirt das Gleiche seien.

Genau das zeigt eine schweizerische Werbekampagne der Entwicklungshilfeorganisation Helvetas mit Partnern aus Industrie und Staat. Unten der knackige Slogan "Fragen Sie auch bei T-Shirts nach Bio und Fair Trade", oben eine Banane, ge wickelt aus gelben T-Shirts. Doch der große Unterschied zu Lebensmitteln liegt in der längeren textilen Wertschöpfungskette, in den vielen aufeinanderfolgenden Weiterverarbeitungsschritten. Ein Ballen Biobaumwolle ist keine Jeans. Und ein T-Shirt keine Banane.

Die gute Absicht

Schon die Frage, ob Bio gut ist, ist bei Baumwolle nicht ganz so leicht zu beantworten. Ganz sicher gab und gibt es gute Gründe, sich von jenen Methoden zu verabschieden, wie sie viele Jahre lang im südindischen Baumwollverarbeitungszentrum Tirupur betrieben wurden. Mark Starmanns, Wirtschaftsgeograf und Fachmann für Ethischen Handel an der Universität Zürich, erinnert sich mit Schaudern an die stinkenden Abwasserflüsse und sieht keine Alternative zum Umbau in Richtung Bio mit seinen vier Zielen Gesundheit, Ökologie, Fairness und Nachhaltigkeit.

Und auch Jens Soth, ein Agrarwissenschaftler, der in diversen internationalen Biogremien sitzt und für die Helvetas arbeitet, ist überzeugt, dass die Biolandwirtschaft nach US- und EU-Norm fast nur Vorteile bietet. Sie sei kein Weg zurück in eine gute alte Zeit, wird er nicht müde zu betonen, sondern eine fortschrittliche, wissensbasierte Anbauweise, die sich zudem rentiere. In einem Züricher Hinterhof, im Konferenzraum der Helvetas neben dem hauseigenen Flagshipstore voll fairer Bioware, rechnet er vor: Der Profit des Bauern entstehe aus Erntemenge mal Preis abzüglich der Kosten, und Bio senke vor allem die Kosten. Zum einen durch den Verzicht auf teure und im Preis stark schwankende synthetische Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Zum anderen, weil auch das Gesamtrisiko des Bauern sinke: Da organischer Anbau die Mehrfelderwirtschaft fordere, beuge er Totalausfällen vor. Auch sei Bioanbau nicht wie oft behauptet zwangsläufig aufwendiger, es ermögliche sogar weniger aufwendigere Bewirtschaftungsformen. Allerdings bringe Bio zu Beginn, in der sogenannten Konversion, weniger Ernte ein. Das aber, so Soth, werde ausgeglichen, weil Biobaumwolle höhere Marktpreise erziele.

Doch genau darauf können sich die Produzenten nicht mehr verlassen. Und deshalb sind für einen, der wie Simon Ferrigno nicht nur die Bauern, sondern auch den Markt kennt, die wirtschaftlichen Vorteile der Biobaumwolle längst nicht mehr so klar. Soths Formel brachte so lange ein positives Resultat, wie die Biofaser knapp war und die Preise in die Höhe schossen. Doch seit 2007/2008 verheißt Ferrignos Report nichts Gutes mehr für all jene, die mit Biobaumwolle Entwicklungshilfe leisten und die Einkommen der Kleinbauern anheben wollen. Das Angebot hat sich vom Markt ent koppelt, von 2007 auf 2008 wuchs es um satte 152 Prozent, danach, trotz voller Lager, um weitere 20 Prozent. Die Nachfrage blieb dahinter weit zurück.

Seither schwinden die Mehreinnahmen für die Farmer so rasch, wie sie früher in die Höhe geschossen waren. Die Preise seien gera dezu zusammengebrochen, beklagt Anand Mor - und sie werden sich, da sind sich viele Experten einig, so schnell nicht erholen. Da bliebe dann nur noch die Ökobilanz als Argument pro Bio, doch auch die ist bei Biobaumwolle nicht immer besser. Zwar bleiben die Flüsse sauberer, der hohe Wasserverbrauch beim Baumwollanbau scheint sich jedoch durch Bio kaum zu verringern. Jedenfalls ergab eine Umfrage der Helvetas bei den Biofarmern kein klares Bild: Möglicherweise sei er geringer, gemessen am Gewicht könnte er aber auch höher sein.

Biobaumwolle sei eine Premiumware, die den üblichen Marktschwankungen unterliege, und keineswegs eine sichere Bank, fasst Jitender Kumar zusammen, Manager beim Weiterverarbeiter Alok Industries. Und auch er bestätigt, dass viele indische Farmer, die gerade umstellen wollten, derzeit einen Rückzieher machen. Selbst Simon Ferrigno scheint die Situ ation zu belasten. Er hat bei Organic Exchange gekündigt und will sich im März als unabhängiger Berater selbstständig machen.

Das fast perfekte System

Die Zeche bezahlen die Bauern, denen nur schwerlich vorzuwerfen ist, dass sie die Marktlage nicht kennen. Sie vertrauen einem System, das die Früchte ihrer Arbeit über viele Etappen in die Geschäfte in aller Welt bringen soll und von dem eine Mitteilung von Organic Exchange nicht ohne Stolz verkündet: "Organic ist nicht einfach entstanden -es wurde entworfen." Doch der Entwurf hat Mängel.

Beim Biobaumwollanbau gelten, wie bei Lebensmitteln, zwei sich ähnelnde gesetzliche Normen aus den USA und der EU. Sie sind politisch vorgegeben, ihre Einhaltung kann von Zertifikatoren bestätigt werden - auf Kosten der Farmer. Das Biotextilsystem beginnt nach der Farm, in der Verarbeitung. Im Unterschied zu konventioneller Baumwolle werde zertifizierte Bioware nicht an Börsen gehandelt, wie John Mowbray, Leiter des Fachblatts "Ecotextile News" beschreibt, sondern ab Farmtor direkt von Händlern oder Kooperativen gekauft. Stets müsse Organic Cotton separat von konventionellen Fasern weiterverarbeitet werden, um eine Vermischung zu vermeiden.

Die Baumwollblüte wird entkernt, Fasern werden in Ballen gepresst weiterverkauft. Die Ware wird gesponnen, gefärbt und gewoben. Die Webware wird zu Kleidung, Heim- oder Industrietextilien verarbeitet. Im Voraus oder auf Bestellung. Von manchmal Dutzenden unabhängigen Betrieben hintereinander. In Hunderttausenden Betrieben weltweit. Wie aber den Konsumenten angesichts dieser arbeitsteiligen, undurchschaubaren Textilindustrie garantieren, dass ihr Produkt Bio ist?

Um diese Transparenz zu schaffen, bieten standardsetzende Organisationen Produkt-Label, also Siegel für Biotextilien an. Anbieter wie Gots (Global Organic Textile Standards) oder Orga nic Exchange verlangen Mengenkontrollen der Fasern durch alle Ver arbeitungsstufen, um einer wundersamen Biovermehrung vorzubeugen. Darüber hinaus entwerfen sie ökologische sowie Handels- und Arbeitsschutzregeln für Weiterverarbeiter. Ob sie diese Standards umsetzen und sich dies durch einen Zertifizierer bescheinigen lassen wollen, bleibt den Weiterverarbeitern überlassen. Im Detail fordern Standards beispielsweise, bestimmte Chemikalien zu meiden, Arbeitspausen oder Versammlungsrechte zu garantieren. Die Idee dahinter ist, dass Biokäufer ökologische und soziale Ansprüche auch an die Weiterverarbeitung stellen. Wurden alle Standards von allen umgesetzt und ist alles mit Zertifikaten belegt, verleihen Gots oder Organic Exchange ihr Bioprodukt-Label. Gegen Geld, natürlich.

So weit die Theorie. In der Praxis allerdings ist das System nur schwer zu kontrollieren. Das begünstigt Betrug, Spekulation, hohe Kosten von der Farm bis zum Laden -und damit die Attrakti vität des Systems für die einzelnen Mitspieler, die alle ein Interesse daran haben, dass immer mehr produziert wird.

Die Tücken

Das Problem beginnt bei den Bauern. Grundsätzlich kann jeder ein Biofarmer werden, wenn er die Hoffnung hat, es lohne sich. Um dies beurteilen zu können, muss er sich auf die Informationen Dritter verlassen, denn neben Ferrignos Report gibt es keine Zahlen über Angebot und Nachfrage. Dafür aber Nachbarn, die Presse und NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die alle ihre eigenen Interessen verfolgen. Die NGOs zum Beispiel wollen möglichst große Erfolge vermelden. So berichtet Jens Soth, dass allein Helvetas in Westafrika und Kirgisistan 22000 Kleinbauern vom Bioanbau überzeugt habe. Hingegen warnt Simone Cipriani, in Afrika tätiger UN-Projektleiter im Modesektor, vor einer weiteren Angebotsförderung -auf diese Weise werde zu viel produziert.

Stolz erzählt Soth weiter, die Ware werde, soweit möglich, ins zertifzierte Biotextilsystem eingespeist. Klingt gut, allerdings macht der hohe Anteil an Kleinbauern die Biozertifikation kleinteiliger und aufwendiger. Das ist ein gutes Geschäft für die Zertifizierer, deren Zahl rapide zugenommen habe, wie Anand Mor berichtet. Und weil diese Kontrolleure mittlerweile die Weiterverarbeitung nach mehreren Standards prüfen, sind die Bauern gezwungen, mehrfach Zertifikate für sich einzuholen. Dass die Zertifizierer den Bauern nur Gutes über die Erfolgsaussichten einer Umwandlung berichten, liegt nahe: Jeder neue Biofarmer ist ein neuer Kunde.

Allerdings ist es kaum möglich, jede einzelne Faser zu prüfen. Und mit steigendem Druck lernen auch die Farmer, wie sie von der Undurchsichtigkeit dieses Systems profitieren können. Im Biolandbau ist der Einsatz synthetischer Pestizide verboten -warum also sollten sie nicht heimlich schädlingsresistente genmodifizierte Baumwollsamen pflanzen? Das ist schwer nachzuweisen. Ganze Dörfer in Indien hätten dies getan, berichten mehrere Quellen. Und auch wenn Jens Soth dagegen hält, Anfangserfolge bei der Pestizideinsparung klängen nach wenigen Jahren aus: Indiens Farmer haben erfahren, dass ihnen der kleine Trick zu kurzfristigen Ertragssteigerungen verhilft. Sie kommen also bei fallenden Preisen doch noch auf ihre Kosten. Auch das ist einer von vielen Gründen, warum das Angebot an Biobaumwolle steigt. Hat der Bauer geerntet, beginnt die nächste Etappe, von der Jens Soth sagt: "Wir unterstützen die Idee der transparenten Lieferkette." Doch das ist eher Wunsch als Wirklichkeit. Tatsächlich kennt das System weder eine Börse, noch gibt es grundsätzlich langfristige Abnahmeverträge. Alles hängt an den Baumwollhändlern, die in jeder Saison neu mit den Kleinbauern oder Kooperativen verhandeln. Die Preise bleiben weitgehend im Dunkeln, keiner weiß, was der Nächste zahlt. Das fördert die Spekulation.

Ist die Bioware schließlich im Laden angelangt, trägt sie bereits ein dickes Bündel an Problemen mit sich. Wie jede Ware verkaufte sie sich besser, wäre sie billiger. Doch sie ist teuer - weil viele Zertifizierer auf unterschiedlichen Stufen daran verdient haben und weil es das Bio-Label nur gibt, wenn hohe Standards eingehalten werden. Damit wiederholt sich das Dilemma der Produktion: Die meist in Entwicklungsländern ansässigen Weiterverarbeiter müssen ihre Fabriken säubern, teure und aufwendige Prozesse aufbauen. Nicht zuletzt deshalb, berichtet Jitender Kumar von Alok Industries, nähmen die wenigsten Unternehmen Bioaufträge an.

In dieser Phase der Weiterverarbeitung wird die Preisentwicklung endgültig undurchschaubar. Wenige Marktteilnehmer verhandeln mit wenigen Baumwollhändlern; dadurch entstehen potenziell Monopole. Und weil nur ein lückenlos nach Biostandards weiterverarbeitetes Produkt auch sein Bio-Label bekommt, müssen die Fabrikanten eigens für die Bioproduktion neue Partnerschaften mit Biolieferanten und -abnehmern aufbauen. Auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette fallen neue Kosten an.

Und so werden aus etwa 0,02 Euro, die Anand Mor für die Cottonmenge eines Bio-Shirts mehr erlöst, ein paar Euro Aufschlag im Laden.

Der selbst gemachte Hype

Die Informationslage über die Biobaumwolle ist aber nicht nur in indischen oder afrikanischen Dörfern schlecht. Auch der wohlmeinende Konsument kennt nur die guten Nachrichten. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Ferrignos Organic-Exchange-Report die einzigen Branchenzahlen liefert - also ein Unter nehmen, dessen Mission die Förderung des Anbaus von Biobaumwolle ist. So verkündete Organic Exchange stets Wachs tum. Selbst 2009, als die weißen Berge wuchsen, war die erste Botschaft der Pressemitteilung: weiteres Angebotswachstum. Um dann weiter unten im Text vor Überkapazitäten zu warnen. Die Berichterstattung in den Medien war entsprechend positiv, Wachs tum, gerade im Krisenjahr, ein Zauberwort. Alle glaubten an die grüne Mode, nicht nur die Kleinbauern, die sich überlegten, umzusteigen.

Professor Kurt Zihlmann, Leiter des Instituts für Modedesign an der Basler Hochschule für Gestaltung und Kunst, hatte schon länger seine Zweifel. Seine Kritik: Was als politisch korrekte Mode verkauft werde, habe mit Mode im eigentlichen Sinn wenig zu tun. Zu bieder, zu unoriginell und vor allem zu verwechselbar.

Und die Themen Armut und Hilfe, mit denen die Bioprodukt-Label um Kunden werben, seien mit den Markenbildern der meisten Modehäuser nur schwer vereinbar. Aber auch die Bedürfnisse der Designer und der kleineren Modefirmen nehme kaum einer ernst. Bio sei für die Kleinen meist zu teuer, dabei hätten gerade die Nachwuchsdesigner durchaus Interesse am Thema und könnten neben ihrem Einfluss auf die Modewelt auch Ideen liefern. Wer einen Markt erobern wolle, sagt Zihlmann, müsse dafür sensibilisiert sein - davon aber sei die Biobaumwollszene weit entfernt. Seine Tipps: Zusammenarbeit mit den Modemeinungsführern, Kontakt mit Fashion.

Die Möglichkeiten einer Lösung

Soll der weiße Berg nicht weiter wachsen, bedarf das gesamte System einer Überarbeitung. Das hat sich inzwischen auch bei den Beteiligten herumgesprochen.

In England, der Schweiz, in Indien und den USA wird unter Hochdruck nachgedacht. Manche halten die Einführung einer Börse für sinnvoll, deren Preissignale Spekulation verringern, lokale Abhängigkeiten minimieren und Orientierung bieten könnten. Andere setzen auf mehr Durchblick: Um Handelskontakte und Überprüfbarkeit zu erleichtern, stellt etwa Organic Exchange Kontaktadressen von Biobaumwollfarmen ins Netz und bietet eine Software an, die den Weg der Ware bis zum Bauern verfolgbar macht. Die Schweizer Entwicklungshelfer wünschen sich langfristige Abnahmevereinbarungen und leichter kontrollierbare Produktionswege. Auch gegen die Betrugsfälle sei man nach den ersten Beschwerden vorgegangen: Eine indische Behörde habe unsaubere Zertifizierer abgestraft, berichtet Helvetas. Seit Januar setzt die indische Regierung auch ein System ein, das verspricht, Gentech-Betrug aufzudecken und "narrensicher" zu sein.

Mark Starmanns hält solche Maßnahmen für wenig aussichtsreich. Das System basiere darauf, dass Auditoren glaubwürdige und korrekte Ergebnisse lieferten. Aber es gebe genügend Belege, dass Zertifizierer die an sie gestellten Ansprüche nicht erfüllten.

Don Cameron, der neben Bio auch konventionell und mit Gentech Saatgut anbaut, schlägt vor, den pragmatischen Weg zu gehen und die Biostandards von EU und USA um Gentech zu erweitern: Schließlich hätten sich die Farmer in Indien mit der Verwendung von solcher Baumwolle längst dafür entschieden.

Jens Soth, kein Freund der Idee, denkt lieber darüber nach, wie man die Ertragsmengen von Biobaumwolle stärken kann, sodass Biofarmer mit den ertragsstarken Gentech-Farmern mithalten können. Auch das Zertifikationssystem stellt er infrage: "Eigentlich ist es pervers -wir verlangen von den Unschuldigen einen Unschuldsbeweis."

Während sich die Pioniere die Köpfe zerbrechen, drängen die Nachfolger auf den Markt. 2010 wird es erstmals alternative Baumwolle der Better Cotton Initiative (BCI) geben. BCI verzichtet einfach auf Produkt-Label und deren Komplikationen.

Wenn sie sich damit als Partner der jungen Modeszene empfehlen, könnte Biobaumwolle, wie wir sie kennen, Geschichte sein. Am eigenen System gescheitert.

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