July 10, 2017

Social-Control-Body. Wie Instagram unsre Körper verändert. Beispiel: Kim.

Dr. Simon Ourian, der Michelangelo unter den Schönheitsärzten, über den perfekten Po. Zu Besuch in Beverly Hills.

Beim Betreten der Praxis huscht gerade Mariah Carey aus dem Behandlungszimmer. Ihre Stilettos klicken über den Marmorboden, die paar Stufen hinauf zum Hinterausgang, der mindestens so feudal ist wie der Haupteingang des cremefarbenen Gebäudes am Camden Drive 444, im Herzen von Beverly Hills, LA. Hier befindet sich die «Epione, Medical Corporation» von Dr. Simon Ourian. Draussen lauern die Paparazzi, denn es gibt fast immer was zu holen. Lady Gaga, Miley Cyrus, Iggy Azalea oder das Model Eva Mendes sind hier in Behandlung, zudem der ganze Kardashian-Clan. Ourians Arbeit gilt der Perfektion der Oberfläche. Gemessen an den Fans und Followern seiner Kunden gibt es vielleicht niemand anderen auf der Welt, der einen grösseren Einfluss auf unsere Schönheitsideale hat. Ourian, fünfzig Jahre alt, schlank, schwarze Arztkleidung, legt Wert darauf, dass er kein Schönheitschirurg ist, sondern kosmetischer Dermatologe. Sein Haar ist dunkel und dicht, die Stirn glatt, die Augenbrauen geschwungen, die Nase ebenmässig, die Zähne strahlend weiss – alles künstlich.


Das Magazin — Herr Doktor, erlauben Sie zum Einstieg ein paar kurze Fragen aus Sicht eines interessierten Kunden.
Gerne.


Was ist wichtiger: Körper oder Gesicht?
Gesicht.


Wie viel kosten Wangen bei Ihnen?
Das beginnt bei rund 1000 Dollar, sollen sie mehrere Jahre halten, sind es etwa 4000 bis 5000 Dollar.


Wenn ich wenig Geld habe: Was ist der effektivste Eingriff?
Botox.


Was ist wichtiger: Brüste oder Hintern?
Heute: Hintern.


Inwiefern unterscheidet sich Ihre hauseigene Po-Korrektur vom oft verwendeten «Brazilian Butt Lift»?
Beim Brazilian Butt Lift, den ich ja grundsätzlich auch anbiete, wird eigenes Fett umverlagert. Das Problem, das ich mit meinen Kunden hatte: Da war kein Fett. Nichts, was ich irgendwo absaugen konnte. Sie sind Grösse null oder eins. Richtig dünne Menschen. Also brauchte ich etwas anderes als Füllmaterial. So kam ich darauf, Sculptra, meinen eigenen Filler, zu mischen mit dem Plasma und den Stammzellen der Person, um den Hintern grösser und haltbarer zu machen. Das kostet zwischen 20 000 und 60 000 Dollar.


Wie entwickeln Sie die Po-Formen?
Es beginnt mit einem Bild des Patienten. Wir nehmen von jedem ein Foto. Lassen Sie mich das zeigen. Er googelt auf seinem iPhone «Butt Picture», kopiert dann ein Bild in eine App namens Facetune, drückt auf eine Funktion namens «reshape» – umformen – und beginnt, mit zwei Fingerspitzen den Po zu formen. So geht das. Höher, breiter, weiter. Wollen Sie Ihren Hintern lieber so? Oder doch eher so? Ich diskutiere das mit den Patienten. Wollen Sie es ausladender, mehr Lift, mehr Weite, mehr an der Hüfte? Anschliessend pumpe ich den Filler mit der Spritze zwischen Muskelpartie und Fettschicht. In den Lücken können sich dann eigene Fettzellen des Patienten aufbauen. Keine Operation, kein Skalpell notwendig, das Bindegewebe kann das allein tragen. Es dauert etwa eine Viertelstunde.


Hat das noch etwas mit Natürlichkeit zu tun?
Absolut! Das Ziel ist es, Menschen so natürlich wie möglich aussehen zu lassen. Nachdem du bei mir warst, wird dich niemand fragen: Wer ist dein Arzt? Das ist mein oberstes Gesetz. Falls doch irgendjemand fragt, habe ich versagt.


Was ist der perfekte Po?
Was für mich der perfekte Hintern ist, unterscheidet sich dramatisch von dem, was für den Grossteil meiner Kunden der perfekte Hintern ist. Ich bevorzuge die kleinen, trainierten. So wie bei Tennisspielerinnen. Oder den Supermodels der 1980er und 1990er. Heute aber will meine Kundschaft dreibis viermal grössere Hintern.


Gibt es für Sie Limits?
Es gilt das Fibonacci-Verhältnis. Danach müssen Taille und Hintern in einem Verhältnis von 1: 1.6 stehen. Das ist das Richtmass, das ist der universell schöne Hintern. Wer heute verrückt sein will, geht bis auf 1:2 oder 1:2.5.


Könnten Sie mir den perfekten versus den derzeit angesagten Po aufzeichnen?
Dr. Ourian zeichnet mit feinem Stift. Man kann hier an der Taille ein wenig Fett wegnehmen und dorthin... (siehe Skizze rechts) Das in Schwarz war einst die universell akzeptierte optimale Po-Grösse. Und die rote Linie, das ist das neue Mass.


Haben Sie so den «Kardashian» entwickelt? Oder kamen die mit eigenen Designs?
Ich darf darüber nicht sprechen. Die Kardashians haben sich nie zu ihren Hintern geäussert. Da bin ich zum Schweigen verpflichtet. Eines kann ich verraten: Keine der Kardashians hat Implantate.


Wie würden Sie den Unterschied zwischen dem Po von Kim Kardashian und dem ihrer Halbschwester Kylie Jenner beschreiben?
Darüber kann ich nicht sprechen. Da bin ich zu nah dran.

Simon Ourians bekannteste Patientin ist Kim Kardashian. Eine Frau, bei der sich viele fragen, wofür sie eigentlich berühmt ist. Ihr Aufstieg zum Social-Media-Phänomen begann mit ihrem Vater Robert Kardashian, einem der Verteidiger im Mordprozess gegen O. J. Simpson; man erkannte damals Reality als neues TV-Format, und die vier süssen Kardashian-Kinder wurden zum Mittelpunkt der Reality-TV-Sendung «Keeping Up with the Kardashians». Kim, die zweite Tochter, geboren 1980, wurde 2007 mit dem Leak eines Handy-Sextapes zum prominentesten Kopf des von Mutter Kris geführten Familienclans. Während Paris Hilton, für die Kim als Stylistin arbeitete, nach der Veröffentlichung von Sextapes die Kontrolle über ihr Image verlor, gelang Kim das Gegenteil. Ab 2013 begann sie ihre Entwicklung selber zu veröffentlichen, vor allem ihre körperliche: Heute sieht die armenischstämmige Kalifornierin aus wie eine Afro-Latina mit arabischem Einschlag. Sie dunkelte ein, bekam katzenhafte Gesichtszüge, vollere Lippen. Jedes Jahr sieht die mittlerweile mit dem Popstar Kanye West verheiratete Mutter von zwei Kindern jünger aus. Am radikalsten wandelte sie ihren Hintern – und zwar gegen das vorherrschende Schlankheitsideal. Als sie 2014 mit einem auf ihrem Riesenhintern abgestellten Champagnerglas posierte, sprengte die Reaktion beinahe das Internet. Sie brach auch mit der eisernen Hollywood-Regel, Schönheitsoperationen stets abzustreiten: Offensiv postete sie Videos ihrer eigenen Behandlungen. In einem Video sagt sie: «Viele Leute denken, ich hätte gute Gene. Hier sind meine guten Gene: Dr. Simon Ourian.»


Seit 2013 ist Kim Kardashian Ihre Patientin. Verhalf sie Ihnen zum Durchbruch?
Schon vorher waren 20 Prozent meiner Kundschaft Celebrities und 30 Prozent sehr wohlhabend – ich habe vier Könige behandelt. Aber es gab niemanden, nach dessen Behandlung ich das Gefühl hatte, dass sich etwas für mich ändert. Bis Kim Kardashian kam. Ich meine, sie ist eine Königin, sie ist die Königin von Social Media. Wenn die Kardashians, also Kris, Caitlyn, die fünf Töchter und der Sohn Rob, an einem Tag zum selben Zeitpunkt dasselbe Bild posten, dann sehen das 700 Millionen Menschen. Das entspricht der gesamten erwachsenen Bevölkerung der USA und der EU zusammen. Kein Medium hat eine solche Macht. Nicht einmal CNN.


Wie beeinflusst Social Media Ihr Geschäft?
Es ist die stärkste Kraft, die ich in der ästhetischen Medizin jemals erlebt habe. Social Media hat unsere Branche von ihrem Stigma befreit. Eingriffe wurden von etwas, das man verheimlicht, zu einem Statussymbol.


Kam Kim Kardashian einfach eines Tages hereinspaziert?
Nein, nein. Sie hat sich angekündigt. Vorher war ich wahnsinnig gestresst: Wenn irgendwas schiefgehen würde, wäre ich ruiniert. Wenn Kim Kardashian rausginge und sagen würde: «Dieser Typ ist schuld an der schlimmsten Schwellung meines Lebens» – dann wäre ich erledigt.


Ging es bei ihr gleich um den Hintern?
Nein, sie wollte eine Laserbehandlung für die Hände. Sie hatte ausserdem einen Sonnenschaden und Dehnungsstreifen an der Hüfte. Das wollte sie loswerden. Nur hatten alle ihr gesagt, das gehe nicht. Ihr bester Freund, Jonathan Cheban, schlug ihr vor, es bei mir zu versuchen. Ich hatte mit einem ganzen Team auf sie gewartet, und das Erste, was mir auffiel, war, wie nett sie ist. Und wie detailorientiert. Sie sieht Sachen, die sonst nur ein Profi sieht. Ich versprach, mein Bestes zu geben. Und dachte bei mir: Mach bloss keinen Fehler.


Wie verlief die Behandlung?
In der folgenden Woche rief sie mich an: «Hey, es wirkt!» Also vereinbarte sie noch einen Termin und fragte, ob sie ein paar Freunde bringen dürfe. Und dann kam sie mit ihrem ganzen Team. Wir sassen ein paar Stunden zusammen, redeten über Make-up und anderes. Ihr Team beäugte jede meiner Bewegungen. Bei späteren Behandlungen kam auch ihr Freund Kanye West immer wieder vorbei, um sicherzugehen, dass ich ja keinen Fehler mache.
Kim Kardashian liess sich während der Behandlung filmen und postete das Video online.
Es war ein Segen für mich, dass sie das Video veröffentlichte.


War es ein Gegengeschäft?
Nein, nein. Diese Videos sind Millionen wert. Es ist komplett unmöglich für mich, zu den Kardashians zu gehen und zu fragen: Wie viel würdet ihr dafür verlangen, ein Video für mich zu machen? Ich bin ausserdem viel zu schüchtern, um so was zu fragen. Als sie sagte, dass sie auch für ihre Realityshow filmen würde, erwartete ich eine Handvoll Leute. Es kamen vier Laster. Und Hunderte Paparazzi vor und hinter dem Haus.


Kim Kardashian publiziert ihre körperlichen Veränderungen fortlaufend auf Social Media.
Ja, dafür steht niemand mehr als sie. Sie ist die grösste Trendsetterin aller Zeiten. Wenn sie etwas tut, denken sich andere: Das ist okay, das kann ich auch tun.


Warum kommen so viele Celebrities zu Ihnen?
Weil ich Dermatologe bin und kein Chirurg. Nach zwei, drei Tagen wird niemand mehr Spuren meiner Behandlung sehen. Beim Schönheitschirurgen hingegen ist man viel länger weg vom Fenster. Meine Kunden kommen am Morgen – und am Abend stehen sie vor der Kamera.


Die Filmemacherin Miranda July erzählte mir kürzlich, Botox sei das Hauptgesprächsthema beim Elternabend im Alternativ-Kindergarten. Die Leute essen vegan, aber spritzen Botox.
Es ist sehr einfach: Wer besser aussieht, verdient mehr. Dazu gibt es viele Untersuchungen. Nur wird das nirgendwo so offen thematisiert wie hier in Los Angeles. Ich könnte Ihnen keine Celebrity oder keinen Filmstar nennen, die sich nicht behandeln lassen. In L.A. ist das wie duschen. Wenn du das nicht machst, denken die Leute, mit dir stimmt etwas nicht.


Publizieren Sie Ihre Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften?
Nein, ich schreibe keine Papers. Ich wurde von Kollegen mehrfach kritisiert dafür, dass ich meine Techniken nicht teile. Aber ich bin nicht gut darin, meine Arbeit zusammenzufassen. Es ist, wie einen Maler zu bitten, sein eigenes Werk zu beschreiben.


Sie sehen sich als Künstler?
Ich wollte immer Künstler werden. Aber wir kamen als Flüchtlinge aus dem Iran, da war ich fünfzehn Jahre alt. Wir hatten wenig Geld. Als Migrant der ersten Generation denkt man: Armut ist keine Option. Ein Medizinstudium war eine pragmatische Entscheidung, weil ich davon ausging, dass Kunst nur ein Hobby bleiben würde.


Und dann?
In der Gegend von L.A., in der ich aufwuchs, hatten alle diese kleinen, geraden Nasen. Nur ich hatte eine riesige mediterrane Nase. Als ich neunzehn Jahre alt war, investierte ich mein ganzes Erspartes in eine Nasenoperation. Meine Eltern hielten mich für verrückt. Doch der Schönheitschirurg, bei dem ich hier in Beverly Hills war, erklärte mir, als er mich operierte, dass er ein Künstler sei. Wow, dachte ich – du kannst also Mediziner sein und Künstler. Dazu kam der Film «Die Rivalin» mit Liz Taylor. Ich hatte immer gefunden, dass meine Mutter wie Liz Taylor aussah. Im Film bekommt Liz Taylor einen Facelift – in der Schweiz. Aus einer nicht so attraktiven Frau wurde eine wunderschöne. Ich dachte: Das könnte ich für meine Mama machen. Ich dachte, wenn ich sie jung aussehen lassen würde, müsste sie nicht sterben.


Wo finden Sie Ihre Inspiration?
Bei mir geht alles auf die klassische italienische und griechische Ästhetik zurück. Zudem mache ich oft heimlich Fotos von Leuten, die mir gefallen. Ich habe in meinem Smartphone mehr Bilder von Körperpartien als von meinen Kindern.


Was würden Sie an der Mona Lisa ändern?
Ihre Augenbrauen sind ein bisschen schwer, das Lächeln ist schief, und ihre Augen sind wässrig. Für mich ist sie eine mittelmässig attraktive Person. Aber sie wurde nicht gemalt, um die schönste Frau zu sein. Es ging um ihren Charakter.


Wer ist der schönste Mensch?
Charlize Theron.


Gibt es schöne Falten?
Das ist, wie einen Gärtner zu fragen, was schönes Unkraut ist. Hm. Ich lasse immer ein paar Lachfalten um die Augen. Sonst werden die seelenlos.


Und was ist Schönheit?
Das Geheimnis ist der Goldene Schnitt. Das Gesicht ist vertikal in drei Abschnitte unterteilbar und horizontal in fünf. Darauf aufbauend, kann man dann entscheiden, ob man beispielsweise die Wangenknochen etwas vergrössern sollte. Ich schaue immer zuerst auf die Symmetrie, denn Symmetrie wird mit Gesundheit assoziiert. Man kann jeden Menschen etwas hübscher machen, indem man sein Gesicht symmetrischer macht. Das ist wissenschaftlich belegt und funktioniert in allen Kulturen.


Sehen Sie sich als modernen Bildhauer?
Schon als Kind bastelte ich an Skulpturen herum, auch später an der Uni. Aber was mir beim Bildhauen fehlte, war die Bewegung. Meine Gesichter müssen gut aussehen, wenn die Person spricht, wenn sie gut gelaunt ist und auch wenn sie traurig ist.


Wie arbeiten Sie?
Wie ein Besessener. Ich kann dabei nicht gross reden oder mich unterbrechen, sonst verliere ich meinen Flow. Darüber beklagen sich manchmal Kunden. Sie sagen: Ich zahle Tausende Dollar, und er redet nicht einmal mit mir.


Inwieweit hat die Pornografie das heutige Körperideal beeinflusst?
Am ehesten zeigt sich das bei der Vaginalverjüngung. Die bieten wir auch an. Sie ist sehr beliebt. Innerlich und äusserlich.


Gibt es etwas Entsprechendes für Männer?
Man kann den Penis etwas verdicken, aber nicht wirklich verlängern. Ganz wenige Chirurgen können da etwas ausrichten. Jeder, der mehr verspricht als 2.5 Zentimeter, ist ein Betrüger.


Gibt es etwas, das Sie aus moralischen Gründen nicht anbieten?
Wenn die Kunden den Wunsch nach dem dreioder vierfachen Hintern äussern, dann bin ich sehr konservativ. Das machen wir schrittweise. Erst mal eine Grösse mehr oder zwei. Dann mal sehen. Und wenn die Leute nicht aufhören können, dann sage ich irgendwann stopp.


Benutzen Sie Silikon?
Nicht für eine Million Dollar. Ich warne jeden davor. Machen Sie das nicht.


In den USA gab es im letzten Jahr 18 500 Po-Vergrösserungen, rund 3000 Po-Implantate, 4000 Po-Liftings. Hinternvergrösserung ist ein gewaltiger Wachstumsmarkt: Po-Lifts nahmen seit der Jahrtausendwende um 213 Prozent zu. Wie viele Hintern fertigen Sie pro Jahr?
Zwei-, dreihundert im Jahr. Etwa fünf pro Woche. Wir haben jeden Tag drei bis vier Anfragen.


Wie hoch ist der Männeranteil?
Bei Butt Lifts etwa 10 Prozent. Allgemein liegt der Männeranteil bei 30 bis 40 Prozent.


Nehmen Sie jeden Patienten?
Nein. Die Warteliste ist lang. 80 Prozent weisen wir ab.


Grundsatzfrage: Sollte man nicht der sein, der man ist, und mit seinem Körper leben lernen?
Das würde ja heissen, dass nur derjenige schön sein darf, der so geboren wurde. Es ist, wie in eine bestimmte Klasse geboren zu werden. Entweder bist du schön – oder eben nicht. Auf eine Art ist das die Idee der göttlichen Ordnung. In Europa gab es ein grosses Tabu – man durfte sich nicht verändern, Schönheit war gottgegeben. Der Wunsch, sein Äusseres zu verändern, wurde als Eitelkeit betrachtet, als Sünde.


Ästhetische Medizin ist also ein Bruch mit der göttlichen Ordnung! Sehen Sie in Ihrem Beruf etwas Politisches?
So habe ich es noch nie überlegt. Aber wenn du mit einer gewissen Anlage geboren wirst, die die Gesellschaft als unattraktiv ansieht – warum nicht die Chance nutzen, sich besserzustellen?


Aber die Möglichkeit haben ja nur Reiche.
Bis vor etwa 30 Jahren war es nur extrem Reichen vorbehalten, schöner zu werden. Aber heute ist ästhetische Medizin auch für weniger Reiche erschwinglich.
Die Kardashians scheinen exemplarische Vertreter einer solchen neuen Welt.


Ja. Viele Leute sagen, Kim habe kein richtiges Talent. Famous for being famous. Ich sage: Kim hat verstanden, dass gut auszusehen ihre Arbeit ist. Der grosse Hintern ist dabei, die neue Norm zu werden. Es geht weg von diesem unterernährten 1990er-Typus hin zu mehr «gesund» aussehen. Angefangen hat das mit Jennifer Lopez, dann kamen die Kardashians. Erst Kim, dann eine nach der anderen. Das hat definitiv etwas mit einem Wandel hin zu afroamerikanischer oder Latinokultur zu tun.


Gibt es dafür einen gesellschaftlichen Grund?
Ich denke, dieser kleine Hintern war auch Ausdruck einer Emanzipation, die forderte, dass Frauen tough seien sollen. Es wurde erwartet, dass die Frau studiert, arbeitet – und Mutter ist. Diese Maskulinisierung der Frauen war extrem. Und dann schlug das Pendel zurück: Auch andere Frauenkörper können attraktiv sein, vollere, traditionellere, vielleicht natürlichere.


Eine körperliche Rebellion?
Eher eine mentale. Aber der Körper ist die Materialisierung unserer Gedanken. Vielleicht ändert sich das Ideal also in fünf Jahren wieder.


Was werden all die grosshintrigen Frauen dann tun?
Daher bin ich gegen alles Permanente. Wenn man etwas aus Schönheitsgründen tut, sollte es nie permanent sein. Auch der Körper ändert sich ja ständig.


Wie lange hält denn so ein Po, technisch?
Bis zu fünf Jahre. So lange ist es her, dass ich die Ersten behandelte, und sie laufen immer noch mit diesen hübschen Hintern herum. Vielleicht kann ich Ihnen in fünf Jahren sagen, das hält zehn Jahre.


Und dann?
Dann geht es einfach zurück.


Auch bei so ganz grossen?
Wir schrumpfen die zurück mit Ultraschall. Kein Problem. Zwei bis fünf Jahre lang ist es okay, mit einer solchen Änderung zu leben. Dann will man etwas anderes – das gilt nicht nur für Hintern. Ich meine, Sie kommen ja aus der Schweiz. Ich bin sehr gerne dort. Ich liebe diese unglaublichen Kulturen mit ihrem Fokus auf das Erhalten und Konservieren. Aber irgendwie muss man doch die Dinge voranbringen.


Die Dinge voranbringen – ist das der Sinn Ihres Lebens?
Schauen Sie mal beim Autofahren, wie klein der Rückspiegel im Verhältnis zur Frontscheibe ist.


Wenn Sie also in die Zukunft schauen: Was für einen Po sehen Sie?
Einen eher kleineren.


Und wie wird das Gesicht?
Frisch, natürlich. Meine Vision ist, dass ich Sie für zehn, fünfzehn Jahre in Ihrem optimalen Moment erhalten kann. Wie eine gute Photoshop-Version Ihrer selbst.

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